Transformation

"Unsere Zukunft ist Jetzt!" - Bericht des Zukunftsrates MV auf den Akademietagen in Rostock

Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Die Schweriner Landesregierung hat in ihren Zukunftsrat nur Einzelpersönlichkeiten berufen, die ausdrücklich nicht für die Position einer bestimmten Institution, einer Partei oder eines Interessenverbandes stehen. Das hat für viel Irritation und Unmut gesorgt. Der Auftrag von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) lautete ausdrücklich, einen Prozess, „quer zum üblichen Verwaltungshandeln“ zu entwickeln. Die Idee: Neunundvierzig unabhängige Bürgerinnen und Bürger entwickeln in einer „Schwarmintelligenz“ Vorschläge, wie die siebzehn Nachhaltigkeitsziele der UN („Sustainable Development Goals – SDG“) zeitnahe in praktische Landespolitik umsetzbar sind. 

Auftaktdokument statt Abschlussbericht. In einer für Beteiligungsprozesse ungewöhnlich kurzen Zeit und trotz der Corona-Beschränkungen hat der Zukunftsrat schon ein halbes Jahr später seinen Bericht vorgelegt: „Unsere Zukunft ist jetzt!“. Was viele erwartet und manche vielleicht sogar heimlich erhofft hatten, trat nicht ein. Die Vorschläge des Zukunftsrates verschwinden nicht in Aktenschränken. Im Gegenteil, alle Fraktionen haben sich verpflichtet, sie auch in der neuen Legislaturperiode in den parlamentarischen Ausschüssen zu bearbeiten. Ebenso sind Mitarbeitende in den Landesministerien gehalten, sich in ihren Planungen künftig auf den Bericht des Zukunftsrates zu beziehen. Dass ein politischer Meinungsbildungsprozess in einer derartigen Geschwindigkeit ablaufen kann, war keineswegs zu erwarten. 

Die Logik der Nachhaltigkeit. Schon durch die Besetzung des Zukunftsrates wurde das Nachhaltigkeitsdreieck als tragende Struktur für künftige Planungen implementiert. Denn vorgeschlagen und berufen wurden Persönlichkeiten, die neben ihrer Unabhängigkeit eine ausgewiesene Kompetenz entweder im Bereich der Wirtschaft, der Ökologie oder des Sozialen einbringen. Die drei Zieldimensionen des Nachhaltigkeitsdreiecks funktionieren langfristig nur als System: Wirtschaftlich kann auf Dauer nur sein, was zugleich auch ökologisch und sozial verträglich ist. Und der sorgsame Umgang mit der Natur ist nicht von einer Orientierung auf das Gemeinwohl zu trennen – zu dem wiederum auch eine funktionstüchtige Wirtschaft gehört. 

Soweit die Theorie. In der Praxis von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Interessenverbänden wird in aller Regel nicht systemisch, sondern entlang von Zuständigkeiten, Interessen und Ressorts gedacht. Insofern lag der Zukunftsrat schon von seinem Aufbau her tatsächlich „quer zum üblichen Verwaltungshandeln“. Wie zu erwarten, gab (und gibt) es Kommentare wie: „Da geht es nur um Nachhaltigkeit, die eigentliche Wirtschaft kommt ja gar nicht vor.“ Doch der Lernprozess hat begonnen. Zunächst im Zukunftsrat selber. Da saßen - wegen der Pandemie fast nur online - Persönlichkeiten beieinander, die ansonsten kaum miteinander gesprochen, geschweige denn einander ernsthaft zugehört hätten. Das Ergebnis war verblüffend: „Endlich habe ich verstanden“, so beispielsweise der Geschäftsführer eines großen Unternehmens, „warum wir eine Jugendbeteiligung brauchen, die mehr ist als eine Worthülse.“ 

Nachhaltigkeit ist kein Luxus.  Auch in der alltäglichen Praxis von Politik, Verwaltungen, Wirtschaft, Verbänden und Zivilgesellschaft wird die Logik der Nachhaltigkeit kommuniziert und eingeübt werden müssen. Neue Erzählungen braucht das Land: Dass Nachhaltigkeit kein Steckenpferd für Naturfreunde ist. Dass Nachhaltigkeit die Wirtschaft keineswegs ruiniert, sondern zukunftsfähig macht. Dass Nachhaltigkeit und Gemeinwohlorientierung kein teurer Luxus, sondern kluge und lukrative Investitionen in die Zukunft sind. 

Keine Zukunft ohne Herkunft. Und noch eine weitere Grundentscheidung lässt der Zukunftsrat erkennen: „Zukunft ist auch Herkunft.“ Das bedeutet, dass die bisherigen Leistungen, das Lebensgefühl und die Identität der Menschen im Land nicht pauschal abgewertet werden, um daraus die Notwendigkeit eines Wandels zu legitimieren. Es geht nicht um lineare und einseitige „Modernisierung“, sondern um einen Paradigmenwechsel. Die Menschen und die Gegebenheiten werden dabei nicht als Hypothek, sondern als Ressource wahrgenommen und in die Transformation mit hineingenommen.

Die ausdrückliche Würdigung der vorhandenen Ressourcen ist es, die dem Bericht seinen besonderen Charme und seine Überzeugungskraft verleiht. Hier wird eine Zukunft projiziert, die nicht durch drastische Sparmaßnahmen, Opfer und Traditionsabbrüche gewonnen werden soll, sondern durch eine kluge Besinnung auf die vorhandenen Möglichkeiten. 

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) ist als alleiniger Gradmesser der Lebensqualität kaum geeignet. Denn die individuelle Zufriedenheit wächst bekanntlich zwar mit der Höhe des Einkommens – jedoch nur bis zu einer empirisch bestimmbaren, gar nicht mal so hohen Einkommensgrenze. Danach werden andere Faktoren wichtiger: eine intakte Natur, gute Arbeit, soziale Netzwerke, Entwicklungschancen, Beteiligungsmöglichkeiten, eine funktionierende Verwaltung. Mecklenburg-Vorpommern mit seinen Menschen und natürlichen Ressourcen lädt zur Umsetzung dieser Visionen ein. Das Ziel ist eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Gesellschaft, die technische Instrumente wie die Digitalisierung klug zu nutzen versteht. Jedoch, so die Mahnung der Zukunftsrates: „Das alles wird scheitern, wenn es nicht gelingt, den politischen Mut dafür aufzubringen.“ 

„Zukunft beginnt genau jetzt!“ Nicht alle der zahlreichen Empfehlungen werden umsetzbar sein. Manches klingt zu schön, um wahr werden zu können. Und das muss auch gar nicht sein. Es sind letztlich nur Beispiele, die für etwas anders stehen. „Wir wünschen uns“, so der Zukunftsrat in seinem Schlusswort, „eine Kultur der Neugier und des Mutes. Zukunftsgestaltung gelingt nur dann, wenn nicht Angst vor Veränderung vorherrscht, sondern Lust an kreativer und partizipativer Gestaltung hin zum Besseren. Das Gegenteil von Unternehmungen sind Unterlassungen.

Die Empfehlungen des Zukunftsrates können Sie hier herunterladen.

Die überparteiliche „Initiative Zukunftshandeln MV“ lädt alle Bürgerinnen und Bürger zur Mitarbeit ein. Ziel ist es, die Landespolitik konstruktiv und kritisch zu begleiten auf dem Weg zu einem nachhaltig und gemeinwohlorientiert aufgestellten Mecklenburg-Vorpommern. Um sich für den E-Mailverteiler eintragen zu lassen, Interesse für die Mitgestaltung zu signalisieren oder Anmerkungen, Anregungen und Kritik zu übermitteln nutzen Sie bitte das Kontaktformular auf der Website der Initiative.



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