Arbeit & Beruf Transformation Wirtschaft & Ethik

Der Weg zu besseren Löhnen in der Altenpflege – ein Rückblick

Ende Januar hatten sich die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) auf einen Tarifvertrag Altenpflege geeinigt. Doch die Caritas lehnt eine Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags ab und blockiert damit eine Besserstellung vieler Pflegekräfte. Die Diakonie entzog sich einer inhaltlichen Positionierung mit Verweis auf die Entscheidung der Caritas.

Was ging diesen Entscheidungen voraus?

Im Juli 2018 initiierten die drei Bundesminister*innen Franziska Giffey, Hubertus Heil und Jens Spahn die "Konzertierte Aktion Pflege" (KAP). Damit wollten sie die Arbeitsbedingungen von beruflich Pflegenden nachhaltig verbessern. Einbezogen wurden diverse gesellschaftliche Institutionen, u.a. auch die Sozialpartner und die Kirchen. In diesem Zusammenhang gilt seit Ende 2019 das "Gesetz für bessere Löhne in der Pflege", das zwei Wege vorsieht, um die bessere Bezahlung der beruflich Pflegenden zu erreichen: Entweder über rechtlich verordnete Pflegemindestlöhne, deren Höhe auf der Empfehlung einer paritätisch besetzten Pflegekommission basieren. Oder über branchenweit geltende Tarifverträge – also auf Basis von Verhandlungen der Sozialpartner Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände der Branche.
Die Pflegekommission besteht aus acht Mitgliedern, die von den Tarifvertragsparteien in der Pflegebranche und von der Dienstgeber- und Dienstnehmerseite der kirchlichen Arbeitgeber vorgeschlagen werden. Die Kommission erarbeitet eine Empfehlung zur Festlegung von Arbeitsbedingungen und Mindestentgeltsätze. Das Bundesarbeitsministerium kann die empfohlenen Mindestlöhne für die gesamte Branche als verbindlich festlegen.
Das Gesetz wurde so gestaltet, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gewahrt bleibt. Denn da weder die Caritas noch der Großteil der diakonischen Arbeitgeber ihre Löhne im Rahmen einer Tarifpartnerschaft verhandeln, sondern über einen kirchenspezifischen Weg zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer, können sie sich an einer Verhandlung zwischen den Tarifpartnern nicht beteiligen. Um eine Beteiligung doch zu gewährleisten, sind vor Abschluss eines Tarifvertrags die Arbeitsrechtlichen Kommissionen der jeweiligen christlichen Kirchen anzuhören. Außerdem "müssen mindestens zwei Kommissionen repräsentativer Religionsgemeinschaften zustimmen, damit die Tarifpartner die Erstreckung des Tarifvertrags beantragen können."

Im November 2020 legte die Konzertierte Aktion Pflege einen Bericht vor. Hubertus Heil hoffte auf den Abschluss eines Tarifvertrags, denn diese "bedeuten angemessene Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Sie verbessern die Situation der Pflegekräfte konkret. Deshalb ist die Aussicht auf einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die ganze Pflegebranche ein wichtiges Signal."

Tatsächlich verhandelten seit geraumer Zeit ver.di und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) über einen Tarifvertrag mit dem Ziel, diesen für allgemeinverbindlich erklären zu lassen. Im BVAP sind z.B. die Arbeiterwohlfahrt, der ASB und der Paritätische Gesamtverband Mitglied, auch der Diakonische Dienstgeberverband Niedersachsen e.V., der für seine Mitgliedseinrichtungen einen Tarifvertrag mit ver.di abgeschlossen hat. 

Der Arbeitgeberverband der privaten Anbieter (BPA), der – so heißt es – etwa ein Drittel des Pflegemarktes abdeckt, ist nicht Mitglied im BVAP und verspottet ihn als "Miniarbeitgeberverband" und ver.di als "Kleingewerkschaft in der Altenpflege".
BVAP und ver.di führten bereits letztes Jahr die vorgeschriebene Anhörung der beiden Arbeitsrechtlichen Kommissionen durch. Ende Januar einigten sie sich auf den endgültigen Inhalt des Tarifvertrags über Mindestbedingungen in der Altenpflege. Sie zeigten sich zuversichtlich, dass Caritas und Diakonie den Tarifvertrag unterstützen würden, denn in "den Anhörungen war deutlich geworden, dass es das gemeinsame Ziel gibt, bundesweit die Arbeitsbedingungen in diesem relevanten Bereich zu verbessern." 

Doch nun hat sich die Arbeitsrechtliche Kommission (ARK) der Caritas gegen die Einführung des bundesweiten Tarifvertrages in der Altenpflege ausgesprochen (s. dazu unseren Beitrag zur Entscheidung der Caritas und der fehlenden Positionierung der Diakonie) und favorisiert stattdessen den Weg zu besseren Löhnen über die Pflegekommission, denn in der Pflegekommission würden rund 60 Prozent des Gesamtmarktes vertreten sein, der 1,2 Millionen Beschäftigte umfasst und damit eine ganz andere gesellschaftliche Akzeptanz hätte als eine Einigung zwischen ver.di und BVAP, die etwa 70.000 Mitarbeitende vertreten würden.

Ein Problem mit der gesellschaftlichen Akzeptanz hat nun allerdings einmal mehr die Caritas.

Verwandte Beiträge